Erich Fromm - Die neue Menschlichkeit

Kurzgeschichten

A
In der Berliner U-Bahn

U-Bahn-Esser

Die nette Motzverkäferin

Damenwahl

Die spitzen Schuhe

B
Im menschlichen Körper

Die tierischen Energiespeicher

Die Post des Körpers

C
Biograhisches

Der Auftritt

Der Maikäfer

D
Zur Zivilisation

Die Bedeutung des Nuckels

 

 

Die neue Menschlichkeit
Erich Fromm

Auszüge aus:
Fromm, Erich:

Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft.
(engl. Originaltitel: To Have or to Be?). 1976. In: Gesamtausgabe. Band II. Analytische Charaktertheorie. dtv. 1. Auflage April 1989. München. ISBN 3-421-06110-6

Fromm - gelernter Arzt und Psychonalytiker - stützt sich auf Berichte des Club of Rome von 1972 und 1974 (S.278). Schon seinerzeit zieht er den Schluss, dass die Entwicklung der Menschheit in eine globale Katastrophe führe. Aber nicht nur radikale ökonomische Veränderungen müssten geschehen, um die Katastrophe abzuwenden, sondern es müsse "ein fundamentaler Wandel der menschlichen Grundwerte und Einstellungen im Sinne einer neuen Ethik und einer neuen Einstellung zur Natur" eintreten. (S.279) Eine neue Gesellschaft könne nur entstehen, wenn sich parallel dazu ein neuer Mensch entwickle. (S.279) Auch E.F. Schumacher, "ein radikaler Humanist, fordert eine tiefgreifende menschliche Veränderung. Seine Forderung basiert auf der Auffassung, dass unsere gegenwärtige Gesellschatfsordnung uns krank mache und dass wir auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuern, wenn wir unser Gesellschaftssystem nicht grundlegend umgestalten." (S.279) Es gehe um das nackte Überleben der Menschheit. "Zum erstenmal in der Geschichte hängt das physische Überleben der Menschheit von einer radikalen seelischen Veränderung des Menschen ab." (S.279)

In seiner Gegenwartsanalyse unterscheidet Fromm eine Lebensweise des HABENS von der des SEINS.

"Die HABEN-Orientierung ist charakteristisch für den Menschen der westlichen Industriegesellschaft, in welcher Gier nach Geld, Ruhm und Macht zum beherrschenden Thema des Lebens wurde." (S.287)

Der Modus des SEINs beschreibe nach Fromm auch Werden, Entwickung, Veränderung, Wachstum, also das, was die Philosophie lebnder Systeme als Selbstentfaltung beschreibt. (S.288). "Lebende Strukturen können nur sein, indem sie werden, können nur existieren, indem sie sich verändern. Wachstum und Veränderung sind inhärente Eigenschaften des Lebensprozesses." (S.291)

Äußerst interessant ist Fromms Analyse des Begriffs der Enttäuschung.

Buddha, Jesus, meister Eckhard, Freud usw: "Wissen beginnt … mit der Erkenntnis der Täuschungen … ." Und "Wissen beginnt demnach mit der Zerstörung von Täuschungen, mit der `Ent-täuschung`."  (S.301) Das Ziel des Wissens sei nicht die "absolute" Wahrheit, "sondern der sich selbst bewahrheitende Vollzug der menschlichen Vernunft." (S.301) Das vermittle der Schulbetrieb nicht. "Die Schulen sind Fabriken, in denen diese Wissenspakete produziert werden …" (S.302)

Wir leben in einer genussorientierten Gselschaft, deren höchste Lust der Besitzt von Lebewesen und von Menschen sei. "Der größte Genuss liegt … nicht im Besitz von materiellen Dingen, sondern von Lebewesen. In der patriarchalischen Gesellschaft war selbst der ärmste Mann noch Eigentümer seiner Frau, seiner Kinder und seines Viehs, als deren absoluter Herr er sich fühlen durfte. … Viele Nachkommen zu haben ist der einzige Weg, Menschen zu besitzen, ohne dafür arbeiten zu müssen und ohne Investition von Kapital. Wenn man bedenkt, dass die Frau die ganze Last zu tragen hat, ist kaum zu leugnen, dass die Erzeugung von Nachkommen in der patriarchalischen Gesellschaft ein Vorgang rücksichtsloser Ausbeutung der Frauen ist." (S.321) Aber es melde sich auch Widerstand. "Die Tendenz, ihrer Natur entsprechend zu wachsen, ist allen Lebewesen gemeinsam. Daher leisten wir jedemVersuch Widerstand, der uns daran hindern will, unserer Struktur gemäß zu wachsen." (S.326) "Eingeschränkt wird … sein Verlangen nach Wissen und Wahrheit, sein Wunsch nach Zuneigung. Der im Wachstum begriffene Mensch wird gezwungen, die meisten seiner autonomen, echten Wünsche und Interessen und seinen eigenen Willen aufzugeben und einen Willen, Wünsche und Gefühleanzunehmen, die nicht aus ihm selbst kommen, sondern ihm durch die gesellschaftlichen Denk- und Gefühlsmuster aufgenötigt werden." (S.326) Die Gesellschaft und ihre Agentur, die Familie, löse das Problem: "Wie breche ich den Willen eines Menschen, ohne dass er es merkt?" hervorragend. (S.326) Das größte Problem habe die Gesellschaft mit der Sexualität, genauer gesagt: mit der Lust. S.326/27) Dabei gehe es nicht um die Sexualität, sondern um die Brechung des Willens des Menschen. (S.327) Der individuelle Widerstand der Kinder zeige sich in folgenden Handlungen: Missachtung der Reinlichkeitserziehung, zuwenig oder zuviel essen, Aggressivität, Sadismus, selbstzerstörerisches Verhalten, Langsamkeit, Abzug des Interesses von der Welt, "Trägheitsstreik". (S.327) Das "heteronome Eingreifen in die Wachstumsprozesse des Kindes und des Erwachsenen [ist] die tiefste Ursache geistig-seelischer Störungen, speziell der Destruktivität." (S.327)

Dagegen setzt Fromm den Freiheitsdrang. "Unter Freiheit verstehe ich nicht Freiheit von allen Leitprinzipien, sondern Freiheit, der Struktur menschlicher Existenz entstrechend zu wachsen." (S.328)

Die Gesellschaft benutze das Individuum, das damit nicht seine innere Struktur entfalten könne. "In der entfremdeten Aktivität erlebe ich mich nicht als das tätige Subjekt meines Handelns, sondern erfahre das Resultat meiner Tätigkeit … als etwas …, das von mir getrennt ist …. Im Grunde handle nicht ich; innere oder äußere Kräfte handeln durch mich." (S.334)

Spinoza habe das Unbewusste entdeckt. Handlung sei eine Aktivität im Einklang mit der menschlichen Natur – geistige Tätigkeit, nicht motorische Aktivität. (S.336) "Je näher wir dem Modell der menschlichen Natur kommen, desto größer ist unsere Freiheit  und unser Wohl-Sein." (S.337) Bei Spinoza gehörten Tätigsein, Vernunft, Freiheit, Wohl-Sein, Freude und Selbstvervollkommnung zusammen. "In dem Maße, in dem wir optimales Wachstum erreichen, sind wir … frei, stark, vernünftig und froh, … auch psychisch gesund; …" (S.337) Psychische Krankheit sei Symptom der Unfähigkeit,im Einklang mit der menschlichen Natur zu leben. (S.337) Unsere Vernunft erfasse zwar die Wahrheit, wie auch unsere Sinne die Realität erfassen. Unsere Vernunft sei "so organisiert, dass sie die Realität erkenne, das heißt, die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind, kurz, dass sie die Wahrheit erfasst." – die psychische Realität. Aber sie verdränge dieses Wissen, weil sonst unser Leben zu schwierig werden würde, zu gefährlich wäre. (S.340) "Was verdrängt wird, ist das Wissen von der Wirklichkeit, das Wissen von dem, was wahr ist." (S.340)

Wir verwenden viel Energie darauf, vor uns selbst zu verbergen, was wir wissen. (S.340) "Zum Sein gelangt man, wenn man durch die Oberfläche dringt und die Wirklichkeit erfasst." (S.341)

Schuld an dieser Vedrängung seien die gesellschaftlichen Verhältnisse. Das falsche Dogma unserer Gesellschaft bestehe darin: "… der Mensch sei von Natur aus faul und passiv und würde weder arbeiten noch sonst etwas tun, wenn ihn nicht materielle Anreize dazu verlockten bzw. die Angst vor Strafe ihn dazu antrieben." (S.341) Tatsache sei hingegen: "Wir Menschen haben ein angeborenes, tief verwurzeltes Verlangen zu sein: unseren FähigkeitenAusdruck zu geben, tätig zu sein, auf andere bezogen zu sein, dem Kerker der Selbstsucht zu entfliehen." (S.341) "Das menschliche Verlangen, ein Gefühl des Einsseins mit anderen zu erleben, wurzelt in den Existenzbedingungen der Spezies Mensch und stellt eine der stärksten Antriebskräfte menschlichen Verhaltens dar." (S.344)

Durch die Entwicklung der geistigen Kräfte sei die ursprüngliche Einheit mit der Natur verloren gegangen. Wir müssen daher eine neue Einheit mit unseren Mitmenschen und mit der Natur entwickeln (S.344)

Die Entfremdung des Menschen sei auch die Ursache der Kriege: "Dass die Existenzweise des Habens und die daraus folgende Habgier zwangsläufig zu Antagonismus und Kampf zwischen den Menschen führen, gilt sowohl für Völker als auch für einzelne Menschen. Denn solange die Völker aus Menschen bestehen, deren hauptsächliche Motvation das Haben und die Gier ist, werden sie notwendigerweise Krieg führen." (S.350/351)

Fromm entwickelt nun seinen Begriff des Gesellschafts-Charakters.

Die Charakterstruktur des durchschnittlichen Individuums stehe in Wechselbeziehung mit der sozio-ökonomischen Struktur der Gesellschaft. Das Ergebnis dieser Interaktion sei der Gesellschaftscharakter. Die Menschen werden so geformt, das sie das wollen, was sie sollen. (S.364) Es könne sich nur beides gemeinsam ändern. Eine Revolution ändere den Gesellschaftscharikter nicht und eine Änderung einzelner Menschen ändere auch nicht den Gesellschaftscharakter. (S.365)

"Durch die Umwandlung des Christentums in eine rein patriarchalische Religion war es möglich, die Religion des Industriezeitalters in christliche Termionologie zu kleiden." (S.373)

Es sei eine Marketing-Religion etabliert worden: der Mensch sei zur Ware auf dem Persönlichkeitsmarkt geworden. (S.374) Erfolg hänge davon ab, wie gut man seine Persönlichkeit verkaufe. "Der Mensch kümmert sich nicht mehr um sein Leben und sein Glück, sondern um seine Verkäuflichkeit." (S.374) "Das oberste Ziel des Marketing-Charakters ist die vollständige Anpassung … begehrenswert zu sein." (S.374) Der Mensch sei zum leblosen Werkzeug geworden, dessen Identität auf der Zugehörigkeit zu einem Konzern beruhe. (S.375) "Die Herrschaft des rein verstandesmäßigen, manipulativen Denkens entwickelt sich parallel zu einem Schwund des Gefühlslebens." (S.376) "Wir haben die Maschine zur Gottheit erhoben und werden selbst Gott gleich, indem wir sie bedienen." Wir werden zu Sklaven der Technik. (S.378)

Der negative Höhepunkt dieser Entwicklung sei die Herstellung der Atomwaffen.

Die Mächte führen fort, Atomwaffen herzustellen. Die vernünftige Lösung wäre: "Vernichtung aller Nuklearwaffen und der Atomkraftwerke, die das Material zur Produktion der Kernwaffen herstellen." (S.378) Zuletzt bedauert Fromm: "… es wird nichts getan, um das Überleben der Menschheit zu sichern." (S.378)

Der neue Mensch müsse das Haben aufgeben, im Sein leben, immer gegenwärtig sein (Achtamkeit). Es gelte "sich bewusst zu sein, dass die volle Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und der des Mitmenschen das höchste Ziel des menschlichen Lebens ist.", "sich eins zu fühlen mit allem Lebendigen." Zu "Wissen, dass das Böse und die Destruktion notwendige Folge verhinderten Wachstms ist." (S.391)

Ziel müsse die Herrschaft über die Technik und über irrationale Kräfte und Institutionen sein, die das Überleben der Menschheit bedrohen." (S.394). Die Menschen müssen ihren Lebensstil und ihr Konsumverhalten ändern wollen. (S.395)

Es dürfe keine militärische Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse geben (S.409), Fromm fordert totale atomare Abrüstung und Abbau der Atomkraftwerke (S.410)

Ein großen Hindernis sei die Bürokratie, der bürokratisierte Mensch. "Der technokratische Faschismus muss zwangsläufig zu einer Katastrophe führen." (S.410)

Aber es gebe Hoffnung, die sich aus der richtigen Verarbeitung von gesellschaftlich bedingter Krankheit ableiten lasse: "Heute zieht die Vision einer neuen Gesellschaft alle diejenigen an, die an der Entfremdung leiden, … die Mehrheit der Bevölkerung, nicht bloß eine Minderheit." (S.412)

zusammengestellt von Rudi Zimmerman

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